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Doom - das Virus der neunziger Jahre

Der Siegeszug des Computerspiels Doom ist nicht mehr zu stoppen. Jeden Tag gewinnt das Actiongame neue Anhänger, die gegen die gruseligen Monster kämpfen oder in einer Variante gegeneinander antreten. Da sich viele Spieler täglich während mehrerer Stunden mit Doom beschäftigen, ist man versucht, von einem Doom-Fieber zu sprechen. Der Ausscheider fiebert mit und informiert seine Leser über das neue Virus.

von D. Künzi

Dr. Gumbo, eine weltweit anerkannte Kapazität auf dem Gebiet der Infektionskrankheiten, untersucht bereits während zweier Jahre das noch wenig erforschte Doom-Fieber, dass sich zurzeit besonders an den Hochschulen schleichend ausbreitet. Trotz intensiver Bemühungen ist es ihm und seinem Mitarbeiterteam bisher nicht gelungen, ein effizientes Gegenmittel zu finden. Der Ausscheider hat Dr. Gumbo zu einem Interview eingeladen, um ihn über das Doom-Fieber zu befragen.

Der Ausscheider: Dr. Gumbo, sie haben bereits mehrere Patienten, die am Doom-Fieber leiden, untersucht. Was für Schäden haben sie entdeckt?

Dr. Gumbo: Nun, sprechen wir zuerst von den körperlichen Schädigungen. Bei mehreren Patienten konnte ich feststellen, dass sich durch die unzähligen reflex-artigen Tastendrücke mit den Zeigefingern, z.B. beim Schiessen oder bei Bewegungsmanövern, auf den Fingerkuppen eine dicke Hornhaut gebildet hat - was jedoch nicht weiter schlimm ist. Weitaus erschreckender ist die Beobachtung, dass die Spielbewegungen unbewusst ausgeführt werden, was natürlich besonders beim Schreiben hinderlich sein kann. Ähnliches ist über die ruckartigen Halsverrenkungen zu sagen, die der Spieler z.B. beim unverhofften Auftauchen eines Monsters vollzieht. Patienten klagen über Rückenschmerzen und Halsverkrampfungen, wie ich es von den Tennismatch-Besuchern her kenne. Im Vergleich zu den psychischen Schäden sind die physischen viel leichter zu behandeln. In den meisten Fällen rate ich zu einer Heilmassage mit DulX.

Zu den psychischen Belastungen: Von eher harmloser Natur sind die üblichen Schlafstörungen, bei denen sich der Erkrankte schweissgebadet im Bett aufrichtet, wild mit den Zeigefingern auf- und ab wedelt und seinen Kopf gelegentlich nach hinten wirft. Ein anderes, erstaunliches Phänomen ist die Art und Weise, wie sich die Patienten in den Gängen meiner Praxis fortbewegten. In längeren Korridoren oft ängstlich um sich schauend, machten sie vor jeder Abbiegung halt, sprangen seitwärts in die Mitte des Ganges, drehten sich sofort um ihre eigenen Achse, und gingen dann wieder behutsam weiter.

Durch die ständigen Adrenalinstösse baut der Doom-Fiebrige zwar Kalorien ab, fühlt sich nach einer Session aber oft müde und ausgebrannt, was dann zu einer Potenzschwächung führen kann. Zu dieser These benötigen wir jedoch noch weitere Testdaten der Patienten.

Der Ausscheider: Das ist ja erschreckend. Woran erkennt denn der Laie, dass sich jemand mit dem Doom-Fieber infiziert hat?

Dr. Gumbo: Doom-Süchtige müssen ihren Spieltrieb regelmässig befriedigen. Abhängig vom Grad der Erkrankung gibt es Patienten, die es keine zwei Stunden ohne eine Doom-Session aushalten. Das äussert sich dann in einem nervösen Kratzen, gepaart mit unruhigen hin- und herrutschen auf dem Stuhl. Die glasigen Augen machen einen schläfrigen und apathischen Eindruck, die Pupillen sind nicht mehr in der Lage, Gegenstände zu fixieren. Nach einigen gespielten Doom-Level hat sich am Zustand der Augen nichts geändert, zumindest kann der Spieler jetzt für eine gewisse Zeit entspannt auf einem Stuhl sitzen bleiben.

Der Ausscheider: Wie wird das Doom-Fieber übertragen? Welche Bevölkerungsschichten sind besonders ansteckungsgefährdet?

Dr. Gumbo: Betrachten wir zuerst die Wurzel des Virus. Über das weltumspannende Datennetz Internet ist es kein Problem, Doom-Versionen kostenlos herunterzuladen. Viele Hochschulen und Universitäten hängen an diesem Netz, dadurch steckt sich gerade diejenige Bevölkerungsschicht zuerst mit dem Doom-Fieber an, die von vielen Leuten als das zukünftige Wirtschaftspotential angesehen wird. Die direkte Infektion erfolgt meistens nach dem folgenden typischen Ablauf: Ein Internet-angefressenes Klassenmitglied entdeckt Doom und beginnt zu spielen. Ein Kollege gesellt sich hinzu und möchte natürlich sofort wissen, was das für ein tolles Game ist. Und schon hat sich das Fieber ein weiteres Opfer geschnappt. Es genügt, wenn nur ein Teil der Klasse vom Fieber infiziert ist, durch den Gruppenzwang werden die noch Gesunden unweigerlich dazu gezwungen, sich als Spielpartner beim Gegeneinanderspielen zur Verfügung zu stellen. Schon bald ist eine ganze Klasse vom Virus befallen. In einem Fall wurde sogar ein Dozent vom Virus befallen. Er versorgte fortan seine Schüler mit Spieltips und leistete so dem Doom-Fieber unbewusst Vorschub.

Der Ausscheider: Gibt es denn keine wirkungsvolle Behandlungsmethode? Sie und ihre Mitarbeiter beschäftigen sich doch bereits seit zwei Jahren mit dem Fieber.

Dr. Gumbo: Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, ein Gegenmittel gefunden zu haben. Den Vorwurf von Untätigkeit kann ich jedoch nicht gelten lassen. Wir haben im Laufe der beiden Jahre schon einige Methoden ausprobiert, nur sind bisher alle fehlgeschlagen. Zuerst versuchten wir es mit der Radikalmethode und stellten die Patienten auf völligen Doom-Entzug. Nach zwei Tagen mussten wir das Experiment abbrechen, da die einen sich röchelnd auf dem Boden wälzten, und sich die anderen ihre Fingernägel an den Wänden wundkratzten. Im nächsten Versuch konfrontierten wir unsere Schützlinge mit einem äusserst schweren Spezial-Doom-Level, an dem sie sich die Zähne ausbeissen sollten und durch den Frust vom Fieber befreit würden. Das Ergebnis war auch in diesem Falle alles andere als positiv. Nach wenigen Stunden wurde auch dieser Level geknackt, und die Patienten gerieten in ein noch höheres Doom-Fieber-Niveau. Bei einem vorläufig letzten Test prüften wir, ob die Aufmerksamkeit auf ein anderes, völlig langweiliges Spiel gelenkt werden kann und so die Abhängigkeit aufgehoben wird. Die Wahl viel auf das Windows-Spiel Reversi. Das Resultat war verheerend; die Patienten verloren zwar das Interesse an Doom, dafür sind sie jetzt nicht mehr vom Reversi loszureissen.

Der Ausscheider: Dr. Gumbo, noch eine letzte Frage..., Dr. Gumbo, warum stehen sie plötzlich auf?

Dr. Gumbo: Tut mir leid, ich muss wieder an meine Arbeit. Ein Patient benötigt dringend meine Hilfe.

Der Ausscheider: Warum diese Eile? Dr. Gumbo, sie wippen ja mit ihren Zeigefingern..., Dr. Gumbo ... !?


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