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Der Tech Travelguide

Während drei Jahren bin ich durch das Land der Techier gereist. Aufgrund meiner Erfahrungen habe ich nachfolgenden Reiseführer geschrieben, um Neuankömmlingen und Leuten mit akutem Reisefieber den Anfang etwas leichter zu machen.

von Ernst Plüss

Techien ist kein einfaches Land und wird nur dem erfahrenen und hochmotivierten Traveller empfohlen. Aber nicht nur dir Motivation leidet beim Durchreisen der sechs Provinzen des öfteren, auch der Devisenmangel (siehe weiter unten) macht vielen Travellern zu schaffen. So erstaunt es nicht weiter, dass zu gewissen Zeiten mehr als jeder zweite vorzeitig wieder abreist.

Techien ist in sechs eigenständige Provinzen aufgeteilt, sogenannte Semester. Diese sind der Einfachheit halber durchnumeriert. Die Regierung besteht aus einer Direktion, die diktatorisch via ständige und temporäre Weisungen regiert. Die Exekutive und zugleich Judikative (Mit der Gewaltentrennung nimmt man es in Techien nicht so genau) setzt sich aus einer Unzahl von Professoren zusammen. Diese Professoren gehören immer mindestens einem Ministerium an, wie z.B. das Mathematik, Physik oder das Elektrotechnik Ministerium. Wie für eine Diktatur üblich, versucht sich die Führungclique als die Beste der Welt darzustellen, was ihr aber aus Sicht der Traveller meistens misslingt.

Die Professoren gehören einer besonders privilegierten Bevölkerungsschicht an. Diese Beamten bleiben nach ihrer Einstellung bis zum 65. Altersjahr auf ihrem Posten, wenn sie diesen nicht vorher wieder freiwillig räumen. Dies erklärt auch, weshalb sich einige ihre Arbeit etwas leicht machen. Das Direktorium scheint auch nicht daran interessiert zu sein, regelmässig Erhebungen über die Arbeitsleistung der Beamten durchzuführen, um diesem Umstand entgegenzuwirken. Obwohl dies dem Ruf von Techien sicher gut tun würde.

Das Visum für die Einreise ist relativ leicht zu erlangen. Wer eine Berufslehre mit BMS absolviert hat, oder eine Visumsprüfung besteht, bekommt den entsprechenden Stempel in den Reisepass. Die Einreise ist in der Regel nur ins erste Semester möglich.

Für Techien sind keine Impfungen vorgeschrieben. Es kehren aber immer wieder Traveller heim, die an Mathematika, Physika oder Elektrotechitis erkrankt sind. Man kann sich zwar auch in Techien von diesen Krankheiten erholen, aber nur wenn die Motivation auch während der Krankheit auf einem konstant hohen Level gehalten werden kann. Wer also die Möglichkeit hat, dem ist unbedingt zu empfehlen, sich gegen die drei oben genannten Krankheiten impfen zu lassen.


Techien - ein Land mit schroffen Landschaftszügen

Es besteht jederzeit die Möglichkeit, wieder auszureisen. Im Sekretariat bekommt man jederzeit den entsprechenden Stempel. Dieser ist aber nicht unbedingt notwendig. Diejenigen, welche von der Reise bereits so am Boden zerstört und erschöpft sind, können sich auch klammheimlich davon schleichen. Da ein grosser Teil der Exekutive als oberste Maxime die Vernichtung der Reisemoral zum Ziel hat, kann es an den Grenzen schon mal zu Staus und längeren Wartezeiten kommen.

Die Grenzübertritte zwischen den Provinzen demoralisieren wohl die meisten Traveller, denn die Grenzkontrollen zwischen den Provinzen sind sehr streng. Während der Reise durch ein Semester stehen immer wieder Professoren am Strassenrand und testen die Reisetauglichkeit des Travellers. Wehe dem, der bei zu vielen Kontrollen negativ auffällt. Dann riskiert er, für das nächste Semester nur ein provisorisches Visum zu erhalten. Im Wiederholungsfalle oder bei völliger Reiseuntauglichkeit muss der Traveller die zwei letzten Semester nochmals bereisen. Wenn er sich weigert, wird er des Landes verwiesen. Die Provinzen können auch nicht in beliebiger Reihenfolge bereist werden, sondern müssen in mathematisch aufsteigender Reihenfolge besucht werden.

Die Landeswährung ist die Note. Da Techien sehr modern ist, gibt es kein Bargeld. Jedes Ministerium verwaltet seine Devisen selbst und bestimmt an Hand der Strassenkontrollen mehr oder weniger willkürlich, wem wieviel Geld zusteht. Die Note ist zugleich auch das wichtigste Kriterium zur Bestimmung der Reisetauglichkeit an den Provinzgrenzen. Wer nicht über genügend Devisen verfügt, braucht schon beim einen oder anderen Professor ein Stein im Brett.

Techien ist nur sehr dünn besiedelt. Die paar Einwohner befinden sich abgesondert im Sekretariat, in den Informatikdiensten und ihren Kojen. Da Techien aber trotz aller Unbill ein sehr beliebtes Reiseland ist, trifft man v.a. andere Traveller. Das ist sehr nützlich, wenn es einem gelingt, über die Provinzgrenzen hinweg mit Travellern aus anderen Semestern Kontakt aufzunehmen. Aber auch an Ort und Stelle kann man mit etwas Glück Leute finden, mit denen sich ganz gut reisen lässt.

1. Semester:

Diese Provinz provoziert bei vielen einen Kulturschock. Die Sitten in Techien sind für alle, die noch nie hier waren oft sehr hart und bewegen immer einige wieder zur sofortigen Rückreise.

Die Strassenkontrollen der Professoren sind für viele sehr befremdend und jagen manchem einen kalten Schauer über den Rücken. Nicht wenige erkennen bald, dass ihr finanzielles Polster nicht für alle seschs Provinzen ausreicht und kehren nach Hause zurück.


Techien - das Land mit der eigenwilligen Stromversorgung

2. Semester:

Nachdem der Grenzwächter einem für ausreichend reisetauglich erklärt hat, darf man in das zweite Semester einreisen. Wer glaubt, sich an die Tech-Kultur gewöhnt zu haben, wird in dieser Provinz aber gleich eines besseren belehrt, denn die Strassenkontrollen werden hier verschärft. Die Reisetauglichkeit wird jetzt nicht nur theoretisch überprüft, der Traveller muss jetzt auch in praktischen Übungen belegen, dass er der Weiterreise gewachsen ist.

3. und 4. Semester:

Im Grossen und Ganzen geht es dort wie im 2. Semester zu und her. Einzelne Ministerien verschwinden plötzlich vom Strassenrand, dafür tauchen unvermittelt andere auf. Einige Traveller, die bereits glaubten, dem Reisestress in Techien gewachsen zu sein, straucheln aber auch hier noch und treten die unter den Travellern berüchtigte Ehrenrunde an.

An der Grenze zwischen dem 4. und 5. Semester gibt es besonders pingelige, um nicht zu sagen schikanöse Grenzkontrollen. Unter Berücksichtigung der Reisetauglichkeit der vorher bereisten Provinzen wird der Traveller auf Herz und Nieren überprüft. Dieser Test ist wirklich sehr hart, und verlangt von allen eine grosse Motivation. Vor allem denjenigen, die wiedereinmal schlecht bei Kasse sind, bereitet dieser Grenzübertritt Sorgen.

5. Semester:

Wer die 5. Provinz betritt, wähnt sich nach den vorherigen vier Provinzen im Paradies. An den Strassensperren kommt man plötzlich viel schneller vorbei, und die Professoren sind auch nicht mehr so geizig. Aber auch diese Provinz hat seine Tücken. Oft dauert die Devisenbeschaffung via die praktischen Tests bis in die frühen Morgenstunden.

Wer die ersten vier Grenzkontrollen überstanden hat, wird der 5. gelassen entgegenblicken. In der Tat macht sich die Freigiebigkeit vieler Beamten hier positiv bemerkbar.

6. Semester:

Nach 2½ Jahren Reisen quer durch Techien, darf sich der Traveller zu recht als alter Hase fühlen. Die Strassenkontrollen und die abschliessende Ausreisemusterung verursachen kaum mehr schlaflose Nächte.

Doch die Beamten haben auch hier noch ihre Schikanen. So müssen alle, die nicht vorzeitig abreisen wollen, kurz vor der Grenze eine Strassenkontrolle passieren, wo der Traveller gleich sechs Wochen festgehalten wird. Es gibt zwar mit den entsprechenden persönlichen Beziehungen zu gewissen Beamten gute Möglichkeiten, auf die Art der Strassenkontrolle Einfluss zu nehmen, aber hier gilt der Grundsatz, «die einen sind gleich, die anderen gleicher» ganz besonders.

Resumé:

Wie jede intensive und lange Reise hinterlässt auch eine dreijährige Techien Reise ihre Spuren. Wer den Stress der Strassen- und Grenzkontrollen während dieser Zeit erlebt hat, wird sich nicht mehr so leicht ins Boxhorn jagen lassen. Auch die Art und Weise der Strassenkontrollen können dem Traveller auch in Zukunft helfen geistig, fit zu bleiben.

Doch auch diese Reise hat ihre Kehrseite. Zuhause ist die Uhr nicht stehengeblieben; nach der Rückkehr, quasi eine Resozialisierung, stellt man fest, dass sich vieles verändert hat. Auch muss zur Kenntnis genommen werden, dass einige ehemalige Freunde nicht nur schreibfaul sind, oder die Reiseadresse verloren haben.

Ob sich diese Reise "lohnt", kann wohl kaum ein Traveller abschliessend beantworten. Auf jedenfall können die geschilderten Erfahrungen durchaus auch zuhause oder in anderen Ländern gemacht werden.


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