Inland


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Ein Sieg der Gerechtigkeit

Aus dem Brugger Bezirksgericht

Und es gibt sie doch, die Gerechtigkeit! Nach kurzer Verhandlung hat das Brugger Bezirksgericht einen besonders gefährlichen Parksünder zu einer saftigen Geldstrafe verurteilt und damit bewiesen, dass kriminelle Elemente unserer Gesellschaft ihre gerechte Strafe erhalten. Der Ausscheider, Sprachrohr der Gerechten, hat den Fall aufgerollt.

von Diego Künzi

Eigentlich hat D., nennen wir so den Verurteilten, bis zu seiner Schandtat einen tadellosen Leumund vorzuweisen. Der mittlerweile 23jährige wuchs als drittes und letztes Kind einer Arbeiterfamilie in geordneten Verhältnissen auf. Durch seine Unbeherrschtheit, die er von seiner Mutter, einer Walliserin, erbte, brachte sich D. während seiner Jugend oftmals in Schwierigkeiten. Mit seiner kritisch-ironischen Denkweise, ein typisches Merkmal eines Mad-Lesers, trieb er so manchen Lehrer zur Weissglut. Ein erstesmal geriet D. in Konflikt mit dem Gesetz, als er während der Bezirksschule in Suhr mit dem Velo ein Fahrverbot in einer Unterführung missachtete, und zur Strafe einen Aufsatz mit dem Thema "Wozu sind Verkehrsregeln da" schreiben musste. Ob hier wohl der Keim für seine spätere Untat gesät wurde...? Danach führte der heranwachsende Jüngling einen durchschnittlichen und unauffälligen Lebenswandel. Nach einer abgeschlossenen Elektroniker-Lehre und absolvierter RS begann er im Herbst 1992 ein Informatik-Studium an der HTL in Brugg-Windisch, und sollte als angehender Ingenieur im Grunde ein Vorbild für die Gesellschaft darstellen. Sein ordentliches Aussehen weist auf keine Verwahrlosung hin. Wobei man sich fragen mag, was sich hinter den schläfrigen, manchmal abwesend wirkenden Augen dieses jungen Mannes verbirgt. Stille Wasser sind ja bekanntlich tief.


Die deutlich sichtbare Verbotstafel, die D. missachtet hat

Umso erstaunlicher ist daher die plötzliche Entgleisung, zu der sich D. im ersten Semester des Studiums hinreissen liess. Obwohl das Gelände des Bauernverbandes vis-à-vis der HTL Nord durch Hinweisschilder deutlich mit einem richterlichen Parkverbot versehen ist, lenkte der angehende Ingenieur den blauen Opel seiner Eltern direkt auf einen der Parkplätze und liess ihn dort während mindestens vier Stunden den ganzen Vormittag über stehen. Das Geschehen nahm seinen Lauf. Zurückgekommen zu seinem Wagen, entdeckte D. einen weissen Zettel, der hinter dem Scheibenwischer eingeklemmt war, und hielt ihn zuerst fälschlicherweise für ein Werbeschreiben. Tatsächlich aber stand auf dem Papier, dass gegen ihn gerichtlich vorgegangen wird.

Mit der Vorladung auf den Polizeiposten in seinem Wohnort Suhr, wurde er sich jedoch bald der Tragweite seiner frevelhaften Ausschweifung bewusst. Wie aus seinem bei der Polizei erstellten Rapport hervorgeht, versuchte D., den Vorfall durch raffinierte sprachliche Wendungen auf eine Bagatelle herunterzuspielen. Nach seiner Aussage sei er am besagten Morgen "unter grossem Druck gestanden", da eine wichtige Prüfung im Fach Analysis bevorstand. Wegen der lange Warteschlange vor der Ampel neben der HTL wäre er zu spät zur Klausur gekommen, sei deshalb in die Abzweigung vor der Ampel eingebogen und habe seinen Wagen auf dem, wie er meinte "fast leeren" Parkplatz des Bauernverbandes abgestellt. Es sei eine unabsichtliche und einmalige Verfehlung gewesen und es täte im Leid, heuchelte er weiter unten im Bericht und versuchte, durch die diplomatische Wortwahl eine Strafmilderung zu erreichen.

Das Brugger Bezirksgericht liess sich von derlei Behauptungen jedoch nicht beeinflussen und griff mit einer hohen Busse von 80 Fr. hart, aber gerecht durch. Die zusätzlichen entstandenen Umtriebe von 30 Fr. ergaben so ein Strafgeld von 110 Fr. D. wird sich in Zukunft wahrscheinlich zweimal überlegen, ob er in einem richterlichen Parkverbot einfach sein Gefährt stehen lässt. Wieder einmal hat der Staat ein kriminelles Element zur Rechenschaft gezogen, um unsere Gesellschaft zu schützen. Wo käme denn der Rechtsstaat Schweiz hin, wenn jeder das Gesetz mit Füssen treten würde?


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