Bildung


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Neue Fächer braucht das Land

Die Zeiten, in denen der Ingenieur im stillen Kämmerchen Lösungen ausheckte, sind vorbei. Die heutigen Anforderungen gehen weit über das blosse Fachwissen hinaus: Der Ingenieur der Gegenwart arbeitet im Team, präsentiert seine Ideen der Geschäftsleitung und steht immer häufiger im direkten Kontakt zum Kunden. Mit der neuen Fachhochschule bietet sich die Gelegenheit, den Lehrplan den Bedürfnissen der Industrie anzupassen und die Ausbildungsschwergewichte neu zu verteilen. Der folgende Artikel gibt Anregungen für neue (und alte) Fächer, die Eingang in eine umfassende Ausbildung zum Ingenieur finden könnten.

von Diego Künzi

Sport - mehr als eine Lücke

Sport an der HTL Brugg-Windisch - ein düsteres Kapitel: Mit je einem Handball- und Fussballturnier existieren in einem Jahr gerade zwei Anlässe, an denen sich die Studenten sportlich betätigen können. Das Sprichwort "in einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist" sollte an einer Schule des Geistes als höchstes Credo gelten. Was für andere Schulen als Selbstverständlichkeit gilt, hat an der HTL keine Aufnahme in den Stundenplan gefunden. Zum Leid der Studierenden: Wer kennt nicht das Bild des müden und gestressten Studenten, der in jeder Pause schlurfend den Kaffeeautomaten aufsucht, um mit Gewalt seine Müdigkeit zu vertreiben. Ringe unter den Augen, der abwesende Blick, ein Zug an der Zigarette - wahrlich, wie sind so Geistesblitze möglich? Ganz klar, ein Fach "Sport" gehört in den neuen Lehrplan der Fachhochschule. Ein regelmässiges "Austoben" macht den Kopf frei für neue Gedanken und entspannt den Körper - ein idealer Ausgleich zum alltäglichen Alltagstrott. Durch den Sport fühlt sich der Student fit, ist weniger anfällig auf Krankheiten (erhöht die Präsenzzeit im Unterricht) und geht wieder motiviert in die nächste Lektion. Zudem verschwinden die Ringe unter den Augen. Das Schwergewicht des Sportunterrichts wird dabei weniger auf technische Leichtathletikdisziplinen, sondern eher auf spielerische Sportarten wie Fussball oder Volleyball gelegt. Im Sommer sind mehrere Besuche der Brugger Badi vorgesehen, im Winter steht eine Visite der Kunsteisbahn Wettingen auf dem Programm. Neben dem obligatorischen Sportfach stellt jede Abteilung eine Fussball- oder Volleyballmannschaft auf, die von Lehrbauftragten (ev. ehemalige Spitzenspieler, z.B. Andy Egli) trainiert und betreut werden. Um sich mit Teams von anderen Hochschulen zu messen, nehmen diese Auswahlen an nationalen Turnieren teil (als Zukunftsvision wäre die Gründung einer Meisterschaft denkbar), an denen ein fruchtbarer Gedankenaustausch mit Kommilitonen anderer Hochschulen stattfinden kann. Der Student lernt, sich in ein Team zu integrieren und kann sich als Abgesandter mit der HTL identifizieren. Sport als Gegengewicht zur fachlichen Ausbildung - gewiss keine Zeitverschwendung.

Textverarbeitung - ein Muss

Die Sekretärin im Vorzimmer bleibt wohl für HTLAbgänger eine Illusion und ist erst mit zunehmendem Alter (und Position) erschwinglich. Der heutige Ingenieur verbringt einen grossen Teil seiner Arbeitszeit mit Schreiben - er schreibt Berichte, erstellt Dokumentationen und führt Korrespondenz. Nicht jedem ist jedoch die Kunst, einen verfassten Text auch stilgerecht zu gestalten, in die Wiege gelegt. Der erste Laborbericht wird dann mühsam und ohne gültige Vorgaben mit einem Textverarbeitungsprogramm eingegeben, dass man zu kennen glaubt. Allerdings mangelt es weniger an der Bedienung des Programms, sondern vielmehr an der richtigen Darstellung des Textes. Wie wird ein Absatz formatiert? Was kommt in die Kopfzeile? Und was in die Fusszeile? Das bestehende Fach "Deutsch" deckt zwar den stilistischen und inhaltlichen Teil einer wissenschaftlichen Arbeit ab, die gestalterische Seite fehlt jedoch - aus diesem Grund wird an der neuen Fachhochschule die Disziplin "Textverarbeitung" eingeführt. Der Student lernt die Grundlagen des Textsatzes kennen und kann Dokumente qualitativ beurteilen. Mit einer zur Zeit aktuellen Textverarbeitung (z.B. Word) werden alle wichtigen Elemente der Textdarstellung praktisch geübt und Druckformatvorlagen für die benötigten Textarten (Bericht, Dokumentation, Geschäftsbrief) erstellt und angewendet. Für die komfortable Gestaltung von wissenschaftlichen Arbeiten wird eine Einführung in LATEX in den Lehrplan aufgenommen. Da sich der Ingenieur oftmals den betrieblichen Begebenheiten anpassen muss, liegt das Schwergewicht auf einer in der Industrie üblichen Applikation. Für die Interessierten ist zudem ein Freifach "Maschinenschreiben" vorgesehen, in dem das Zehnfingersystem erlernt werden kann (glaubt man den Gerüchten, soll es sogar in der Abt. Informatik Studenten und Dozenten geben, die des Zehnfingersystems nicht mächtig sind!). Textverarbeitung - als Teil oder Erweiterung des Deutschunterrichts eine ideale Vorbereitung für das Berufsleben.

Kleider machen Leute

In der späteren Berufstätigkeit steht zunehmend der Kundenkontakt im Vordergrund. Durch die engere Zusammenarbeit von Marketing und Entwicklung kommt der Ingenieur nicht mehr darum herum, seine Ideen und Lösungen der Geschäftsleitung oder den Kunden zu präsentieren. Die äussere Erscheinung spielt dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle und entscheidet oft über Erfolg oder Misserfolg. Die Minderheit der Studenten besitzt bereits ein gut ausgebildetes Modebewusstsein, die grosse Mehrheit tut sich jedoch schwer mit Kleidung. Mit dem neuen Fach "Selbstdarstellung" wird nun dieser Anforderung an der HTL Rechnung getragen. Der Student lernt Schritt für Schritt, wie er sich selbst möglichst vorteilhaft kleidet. Modeexperten (z.B. Karl Lagerfeld) beraten die angehenden Ingenieure bei der Wahl der korrekten Garderobe. Im Lehrplan inbegriffen ist eine Exkursion nach Paris, bei der die aktuelle Mode hautnah am Laufsteg mitverfolgt werden kann. Durch diesen Kurs werden auch Bilder von Studenten und Dozenten, die mit geschlissenen Jeans, zu kleinen Schlarpen, Hochwasserhosen oder ausgefransten Krawatten den Lichthof der HTL durchqueren, endgültig der Vergangenheit angehören. Die korrekt gekleideten Dozenten R. Waespe, M. Sutter und J.A. Huber überwachen die Einhaltung der Mindest-Mode-Pflicht, fehlbare Studenten werden zu Nachhilfestunden in C mit H.P. Oser verdonnert. Am Ende der Ausbildung im Fach "Selbstdarstellung" steht eine praktische Diplomprüfung, bei der der Student in einem Modegeschäft ganz alleine (ohne Mutter) ein passendes Kleidungsstück aussucht. Die äussere Erscheinung - ein gutes Rüstzeug für einen erfolgreichen Berufseinstieg.


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