Ausland


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Die Suche nach dem goldenen Mass

Eine Odysse durch München

Kurz vor den Sommerferien tauchte im Mitteilungsfach der Ia92 überraschend ein geheimnisvolles LaTeX-Reisedokument auf, das den Studenten Anlass gab, die Suche nach dem sagenumwobenen goldenen Mass aufzunehmen. Das rätselhafte Papier enthielt eindeutige Hinweise, dass das schon seit Semestern verschollene Mass in der Region München zu finden sei. Der Ausscheider schickte selbstverständlich zwei seiner besten Journalisten los, um die faszinierende Expedition zu begleiten.

von Stephan Müri und Diego Künzi

Es war ein nebliger und verregneter Sonntagmorgen, als am Hauptbahnhof Zürich die furchtlosen Teilnehmer der Expedition, die Klasse Ia92 und der wissenschaftliche Berater der HTL, Dr. Sutter, eintrafen. Unter der resoluten Führung des Reiseleiters B. Weiersmüller wurden die reservierten Abteile der EuroCity-Zugkomposition "Albert Einstein", die von Zürich bis ins weite Prag verkehrt, bezogen. In der Gegend von St. Gallen leitete die Reisegruppe eine Notbremsung ein, um das letzte noch fehlende Mitglied der Klasse aufzunehmen.

Während der vierstündigen Fahrt löste sich die anfänglich noch aufgeräumte Stimmung bald auf und glich sich dem nasskalten und trüben Wetter an. Trotz der baufälligen und an manchen Stellen von Unkraut überwucherten Geleise verlief die Reise planmässig und ohne besondere Vorkommnisse, so dass zwei Expeditionsmitglieder sogar die Zeit und Musse fanden, sich im Speisewagen von der tschechischen Küche verwöhnen zu lassen. In München angekommen, kamen sich die zwölf unerschrockenen Jäger vorerst ein wenig verloren vor, da die bestellte Kutsche des Vierstern-Hotels leider nicht zur abgemachten Zeit erschien. Wohl oder übel musste die Ausflugsgruppe mit einer zweitklassigen Absteige vorlieb nehmen, die sich an einer verlassenen Ecke in einer lärmigen Gasse in einem verruchten Quartier befand.


Eine Impression aus der Münchner Innenstadt

Umtrunk im Augustinerhof

Den Transfer zu dieser Pension, die den zwielichtigen Namen "Flora" trägt, nahm die sichtlich mitgenommene Truppe schliesslich, ungewohnt für einige, zu Fuss in Angriff. Dort eingetroffen, bezogen die von der Reise Erschöpften ihre Quartiere und richteten sich, wenn auch behindert durch die etwas knappen Zimmerdimensionen, für die kommenden Strapazen ein. Doch bald schon wurde die Unternehmungslust durch den verdeckten Hinweis eines erfahrenen Einheimischen geweckt, worauf die erwartungsvoll gestimmten Studenten zu ihrer ersten Entdeckungsreise aufbrachen, die sie in die gefährliche Innenstadt von München führte. Ein verdächtig goldig-gerahmtes Schild über dem "Augustinerhof", einer Bierhalle mit langer Tradition, liess die Hoffnung aufkommen, dass sich das gesuchte Mass in nächster Nähe befinden würde. Unauffällig nahmen die Suchenden Platz und nippten bald andächtig an einem hellen und würzigen Bier. Ein Aufschrei erschreckte die gelöste Runde, als einer der Gesellschaft die vergoldeten Ränder an den Gläsern erblickte - zum grossen Bedauern aller handelte es sich um einen plumpen Imitationsversuch eines dreisten Fälschers, was natürlich die allgemeine Euphorie fürs erste dämpfte. Mit hängenden Köpfen traten sie schliesslich den langen Rückmarsch zur Pension an und legten sich entkräftet in ihre engen Kojen.


Diego Künzi präsentiert ein gefälschtes Mass

Déjà vu im Deutschen Museum

In einer Stadt wie München lässt sich natürlich weit mehr unternehmen als das Jagen von goldenen Massen. Genau das sagten sich Dr. Sutter und die Klasse Ia92, und nahmen sich vor, in den folgenden Tagen (und Nächten) die bayerische Hauptstadt besser kennenzulernen.

Am Montag stand nach einem ausgiebigen Frühstück ein Besuch des Deutschen Museums auf dem Programm. Auf einer Insel mitten in der Isar stehend, unterscheidet sich dieses Museum unwesentlich vom Verkehrshaus in Luzern - nur ist alles eben um ein Vielfaches grösser. Nach der Besichtigung dreier Ausstellungshallen machten sich denn auch die ersten Ermüdungserscheinungen bemerkbar, hervorgerufen durch die unzähligen visuellen Sinneswahrnehmungen und durch den Umstand, dass dieser mehrstöckige Gebäudekomplex den etwa gleich grossen (und gleich langsamen) Aufzug besass wie die Pension "Flora". Bei der obligatorischen Visite des Informatik-Trakts stiess man immerhin auf ein Turing-Maschinen-Demonstrationsprogramm, das in ganz ähnlicher Weise im Fach Laboratorium Mikrorechner erstellt wurde. Besteht die Möglichkeit, dass sich bereits vor dieser Expedition ein anderer Exponent der HTL, Dr. Nicola, auf der Suche nach dem goldenen Mass hier in München aufhielt? Wir werden es wahrscheinlich nie erfahren.

Gegen den Mittag hin gesellten sich zu den Erschöpfungsanzeichen auch noch die knurrenden Mägen dazu; und so geschah es, wie es noch oft in dieser Woche geschehen würde: Die Ausflügler kamen in den Genuss der vorzüglichen Deutschen Küche, die trotz allen Vorurteilen nicht bloss aus Weisswurst und Knödel besteht. "Wer sucht, der findet", hiess die erfolgsversprechende Devise, und gefunden wurde eine Menge stimmungsvoller und preiswerter Restaurants, wo sich der Gourmet an so leckeren Speisen wie Matjefilet nach Hausfrauenart (ostfriesische Spezialität), Hack-Brettl (Fleischplatte), Obatzda (Käseteller) und dem beliebten Apfelstrudel laben kann. Bei zwei Mahlzeiten jeden Tag verständlicherweise eine nicht ganz billige Angelegenheit, aber warum sollte man ausgerechnet in den Ferien auf das Portemonnaie schauen? Übrigens, auch kulinarische Tiefflieger oder eher Sparsamere kommen in München voll auf ihre (kleine) Rechnung: Die Anzahl der Mac-Donalds-, Burger King- und Pizza-Hut-Schnellimbisslokale entspricht etwa derjeniger der ganzen Schweiz.


Reto Jehle - der einsame Fan im Olympiastadion

Drive in bei BMW

Am Vormittag des Dienstags war eine Besichtigung des etwas vom Stadtzentrum entfernten Olympiageländes vorgesehen, an der jedoch nicht allzu viele Reisemitglieder teilnahmen. Am Vorabend hatte eine Teilgruppe in einer dunklen Gasse in einem düsteren Dancing ein wenig über die Stränge geschlagen. Zurück zum Olympiagelände - das Olympia-Stadion mit seinen 70'000 Sitzplätzen sticht aus den verschiedenen Stadien klar hervor. In der Nähe der Reporterkabinen stehend, schweift das Auge ehrfürchtig auf den satten Olympiarasen, auf dem in dieser Bundesliga-Saison millionenschwere Fussballstars wie Jürgen Kliensmann oder unser Ciriaco Sforza ihr Stelldichein geben. Aus dem Stadionrund hinaus fällt der Blick auf das Olympia-Dorf, in dem im Jahre 1972, dem Geburtsjahr vieler in diesem Jahr Ausscheidender, mehrere israelische Sportler einem Attentat zum Opfer fielen.

Am Nachmittag traf sich schliesslich fast die ganze Klasse zusammen mit Dr. Sutter vor dem Eingang der BMW-Werke, die sich gleich neben dem Olympiagelände befinden. Erstaunlich, das jeden Tag ca. 700 Fahrzeuge in zwei Arbeitsschichten das Werk verlassen. Noch erstaunlicher ist, dass in einem Jahr keine zwei gleich ausgestatteten Autos ab dem Fliessband fahren. Damit jedes Teil zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort bereitsteht, ist ein ausgeklügeltes Verteilungsmanagement erforderlich. Wegen der beschränkten Lagerkapazität werden die Einzelteile mit Lieferfristen bis zu einer Stunde vor der tatsächlichen Montage geliefert. Am erstaunlichsten ist aber, wie es ein BMW-Mitarbeiter aushält, jeden Tag acht Stunden lang die gleichen Handgriffe auszuführen. Eine regelmässige Jobrotation verhindert, dass die eintönige Arbeit zum Alltagstrott verkommt. Dies würde die Qualität und das Betriebsklima negativ beeinflussen, beschwichtigte die attraktive Hostess, die uns durch den Rundgang führte. Stolz fügte sie hinzu, dass sie selbst einmal während zweier Wochen am Fliessband mitgearbeitet hat - ihre zarten Hände liessen Zweifel an dieser Geschichte aufkommen. In der BMW-Mensa fühlte sich die Klasse gleich wieder heimisch: Öde und langgezogene Tischreihen, und der Kaffee schmeckte irgendwie ähnlich wie derjenige in der HTL-Nord. Warum sind eigentlich alle Mensen auf dieser Welt gleich?


Die Ia92 vor dem Eingang des BMW-Museums

Schlechte Figur bei der Telefonparty

An diesem Abend unternahmen zwei Mitglieder der Gruppe einen ersten Versuch, in Kontakt mit der (weiblichen) einheimischen Bevölkerung zu treten. Zufälligerweise fand im selben Lokal, in dem einige schon am Tag zuvor verkehrten, eine Telefonparty statt, die für eine Annäherung natürlich besonders geeignet ist. Nach einigen misslungenen Telefonaten mussten die beiden Nachtschwärmer jedoch einsehen, dass sie als Schweizer hier keine grossen Chancen besitzen. Bereits nach wenigen Wörtern war das verdächtige Hochdeutsch entlarvt und richtig eingeordnet. Die nächste Frage, falls nicht schon vorher aufgehängt wurde, war dann jeweils "Wohnst Du in den Bergen?" oder "Kann man bei euch Skifahren?". Selbst beim beliebtesten Gesprächsthema unter Männern, Fussball, musste ein Dämpfer eingesteckt werden: Ein anwesender Münchner wusste nicht einmal, welcher Klub denn die Schweizer Meisterschaft gewonnen hatte, wo doch mit Alain Sutter ein ehemaliger Grasshopper-Spieler bei Bayern München unter Vertrag steht.


Ein Blick auf den Marienplatz

Nackte Tatsachen im englischen Garten

Der Vormittag des Mittwoch stand im Zeichen der Vergangenheitsbewältigung. Ein Teil der Klasse besuchte zusammen mit Dr. Sutter das ehemalige Konzentrationslager in Dachau, in dem während des Nazi-Regimes mehrere hunderttausend Juden ums Leben kamen. Eines der dunkelsten Kapitel, das die Geschichte in diesem Jahrhundert schrieb, fand nur eine Zugstunde von München entfernt statt, und die meisten Einwohner besassen nicht die leiseste Ahnung, was in 50 km Entfernung vor sich ging.

Am Nachmittag verband die Reisegruppe das Angenehme mit dem Nützlichen und tat mit einem Besuch des Siemens-Betrieb etwas für ihre Bildung. Die Temperaturen stiegen an diesem Tag in derart ungeahnte Höhen, dass sich danach ein Besuch des englischen Gartens beinahe aufdrängte. Der englische Garten, etwas vom Besten, was München zu bieten hat, liegt im Nordosten des Stadtzentrums und erstreckt sich über eine ungeheuer riesige Grünfläche auf beiden Seiten entlang der Isar. Hervorragend geeignet zur Erholung vom Alltagsstress, oder um dem Grossstadtlärm für eine Stunde zu entfliehen. An diesem überaus heissen Tag lagen die Sonnenhungrigen zu Tausenden "auf der Wiesn", und auch unsere wackeren Schwyzer bahnten sich barfuss den Weg durch die immer spärlicher bekleidete Menschenmenge, und stellten schliesslich verwundert fest, dass sie die einzigen waren, die noch etwas auf ihrem Körper trugen. Erst jetzt begriffen die Unverdorbenen, dass sie offensichtlich in der FKK-Zone des englischen Gartens lustwandelten. Um nicht allzu sehr aufzufallen, entblössten sie nicht gerade alles, aber immerhin ihren Oberkörper, und marschierten in Richtung des nächsten Biergartens. Englischer Garten und Biergarten, nicht nur durch ihren identischen Wortstamm miteinander verwandt; vielmehr kann das eine nicht ohne das andere existieren. Besonders an einem hitzigen Tag fliesst der Schweiss und dadurch auch das Bier in Strömen. Zur Verteidigung der Bayern und der Klasse Ia92 muss jedoch deutlich hervorgehoben werden, dass das ausgeschenkte Bier vom Alkoholgehalt her bei weitem nicht mit einem Feldschlösschen verglichen werden kann. So ist es ohne weiteres möglich, zwei Mass (1 Mass 1 Liter) zu trinken, und dann immer noch einigermassen geradeaus zu gehen; auf einer breiten Strasse, versteht sich. Überhaupt löscht in München jede Bevölkerungsschicht zu jeder Mahlzeit den Durst mit einem zu dieser Jahreszeit herrlichen Grossen Dunklen Hellen Weizenbier. Wer's nicht glaubt, soll sich im Biergarten des Viktualienmarktes selbst überzeugen.

Take off am Flughafen

Den Morgen des Donnerstags nutzten unsere Besucher, um sich von den Efforts der letzten Tage zu erholen oder die eine oder andere Sehenswürdigkeit der Stadt zu fotografieren. Um sich in einer grossflächigen Metropole wie München nicht die Füsse wundzulaufen, ist es empfehlenswert, sich über die grosszügigen Verkehrsmöglichkeiten genauer zu informieren. Das dichte Verkehrsnetz bietet die Gelegenheit, einen Standortwechsel schnell und bequem durchzuführen. Wenn eine doch schon ansehnliche Stadt wie Basel mit dem Tram und dem Trolleybus bereits am Ende seines (Verkehrs-)Latein ist, fängt in München der Spass erst an. Einen Stock tiefer gelangt der Reisende mit der SBahn in die entfernteren Vororte, noch eine Etage weiter unten eröffnet sich endlich die grandiose Welt der UBahn, mit der in einem atemberaubenden Takt in oder besser unter ganz München herumgeflitzt werden kann. Atemberaubend ist neben diesem neuen Freiheitsgefühl auch etwas anderes: In den tiefen der UBahn tummeln sich, im Gegensatz zu den schweizerischen Verhältnissen (die Schweizer Frauen mögen mir bitte verzeihen) unzählige entzückende Münchner Schönheiten. So kam es schon vor, dass wegen der schönen Aussichten der eine oder andere die eine oder andere UBahn ausliess, um auch seinen Augen einmal etwas zu gönnen. Zurück aus dem Untergrund, wird der nicht Ortskundige jedoch bald wieder auf den harten Boden der Realität zurückgeholt, und sieht sich vor die schwierige Aufgabe gestellt, den richtigen Ausgang zu erwischen. Einige Schweizer S- und UBahn-Surfer fanden sich selbst nach einer Woche noch nicht zurecht und mussten in langwierigen Suchaktionen wieder aus den verschlungenen Schächten herausgefischt werden.

Nach dem Mittagessen versammelte sich die Expedition aus der Schweiz dann im Logistik-Zentrum des neuen Flughafens, um sich über den Aufbau der Informatik-Gesamtlösung unterrichten zu lassen. Den Begriff "Unterrichten" nahmen die Logistik-Leute offenbar sehr ernst, und so verbrachte die Reisegruppe mehrere Stunden in einem gut klimatisierten Sitzungszimmer, um gebannt den Vorträgen zu lauschen. Der Höhepunkt des Nachmittags war freilich nicht die eher trockenen Erläuterungen, sondern eine unglücklich entworfene Kaffeekanne, die ein vernünftiges Einschenken in eine Tasse verunmöglichte und Ursache für mehrere peinliche Szenen war.

Letzte Chance chinesischer Turm

Am Freitag bot sich unseren Jägern die letzte Chance, das verlorene Mass doch noch aufzufinden. Am Morgen stand ein Besuch der Bavaria Filmstudios auf dem Programm, an dem jedoch einige nicht teilnehmen konnten, da sie aus Schwäche den ganzen Vormittag verschliefen. Nicht jeder ist sich eben an solch harte Expeditionen gewohnt. Den Rest des Tages verbrachten die Mitglieder der Ia92 ziemlich individuell - die einen unternahmen noch einmal einen gemütlichen Bummel durch die langsam vertraute Innenstadt, die anderen übten sich im Geldverpulvern, was bei gewissen Studenten in einem regelrechten Kaufrausch gipfelte. Nach einer Woche der Entbehrung eine durchaus verständliche Überreaktion. Am Abend trafen sich dann alle ein letztesmal im Biergarten neben dem chinesischen Turm im englischen Garten, um ein letztesmal die verzweifelte Suche nach dem verruchten Mass aufzunehmen.

Unter der umsichtigen Führung von Dr. Sutter begannen die tatendurstigen Männer, möglichst viele Masse des Biergartens genau zu untersuchen. Ein selber ausgetrunkenes und daher leeres Mass ist leichter zu beurteilen, stellten die meisten nach einigen Stunden fest, bekamen aber mit der Zeit Mühe mit der Konzentration. Als sich herausstellte, dass auch dieser Biergarten sein Bier nur in wertlosen Kopien des göttlichen Originals ausschenkte, war die Enttäuschung gross. Um den Schmerz zu lindern, taten es die Wackeren den anderen Besuchern gleich und stimmten wehmütige Lieder an. Als sich daraufhin der Biergarten zügig leerte, wurde es auch für die deprimierten Schatzsucher Zeit, den Heimweg anzutreten. Ohne goldenes Mass - dafür mit einigen dieser billigen Fälschungen, die fortan als Andenken an die Erlebnisse in München dienen.


Schöne Aussichten

Intermezzo im Parkcafé

Wiederum sprangen zwei der Gruppe, Bachmann und Künzi, aus der Reihe, um wenigstens einmal in dieser Woche das Tanzbein zu schwingen. Im stadtbekannten Parkcafé, in dem man weder parkiert noch Kaffee trinkt, waren sie an der richtigen Adresse. Der satte und gut tanzbare Techno-Sound lockte schon von weitem an, und die zwei Unerschrockenen beschlossen, den Einheimischen einmal zu zeigen, was die Schweizer Rave-Szene denn "so drauf hat", um es salopp auszudrücken. Leider hinterliessen die Mühen der letzten Woche deutlich ihre Spuren, man ist eben doch nicht mehr der Jüngste. So machten sich die erschöpften und verschwitzten "Schwyzer" gegen vier Uhr endlich auf den Heimweg, und schliefen nach einer durchzechten Nacht den Schlaf des Gerechten.

Der Tag des Abschieds war gekommen. Nach erlebnisreichen Tagen und Nächten galt es nun, sich auf die Rückreise in die heimatlichen Gefilde vorzubereiten. Es herrschte geschäftige Aufbruchstimmung, als die Reisemitglieder ihre sieben und manchmal auch mehr Sachen packten und sich noch einmal am Frühstücksbuffée, oder an dem, was die Amerikaner davon übrigliessen, gütlich taten. Während dem Transfer zum Hauptbahnhof fielen kaum Worte; jeder war mit sich selbst beschäftigt und schnupperte in sich versunken die Münchner Grossstadtluft, die etwas vom grossen weiten Duft der Welt an sich hatte. Als am Hauptbahnhof das restliche Kleingeld unter den hocherfreuten Clochards verteilt war, galt es, endgültig Abschied zu nehmen. Wortlos die Nasen an den Zugscheiben plattdrückend, warfen die jungen Studenten einen letzten wehmütigen Blick zurück auf die immer kleiner werdende Silhouette der bayrischen Metropole. Der eine oder andere langgezogene Seufzer war zu vernehmen, denn alle gelangten allmählich zur Erkenntnis, dass das unergründliche Mass nicht entdeckt werden konnte.

Tschechische Drohung im Speisewagen

Wie die Hinfahrt gestaltete sich auch die Rückfahrt weitgehend eintönig, vorbei an den monotonen Landschaften, endlosen grünen Wiesen und an unzähligen friedlich grasenden Kühen. Ein erwähnenswerter Vorfall ereignete sich jedoch unerwartet vor der deutsch-schweizerischen Grenze. Im Speisewagen focht Bachmann mit dem tschechischen Kellner eine kleine Meinungsverschiedenheit aus. Fälschlicherweise servierte der Kellner den falschen, leider auch teureren Schinkenteller. Bachmann bestand darauf, den Preis für das bestellte Menü zu zahlen. Der hin- und herwogende Disput verschärfte sich zusehends, und der tschechische Kellner drohte noch auf deutschem Boden, an der Schweizer Grenze die Polizei zu benachrichtigen. Schliesslich konnten die erregten Parteien doch noch eine Einigung erzielen und Bachmann zahlte den tieferen Preis. Da zeigte sich, was eine echter "Bärner Gring" ist. Nach dieser Bagatelle schnellte die angespannte Stimmung sprunghaft in die Höhe: Der Zug hatte soeben die Landesgrenze zur Schweiz passiert, und die Jäger des verschollenen Masses wussten sich auf heimatlichem Boden. Die gute Laune erhielt bei der Ankunft in Zürich einen kleinen Dämpfer, denn nach dieser riskanten Reise ins Ungewisse erwarteten die stolzen Expeditionsmitglieder eigentlich ein Empfangskomitée, das sich aber offenbar im Tag geirrt hatte. Daraufhin löste sich die Gruppe kurz und schmerzlos auf, und jeder ging seines eigenen Weges.

Obwohl sie die Suche nach dem mystischen Mass nicht erfolgreich gestalten konnten, wird man noch lange von ihnen reden. Ihre Kinder werden deren Kinder erzählen, dass ihre Väter bzw. deren Grossväter es immerhin versucht hätten, letztlich aber nur zu einer traurigen Erkenntnis gelangt seien: Das goldene Mass ist in München nicht zu finden. Wenn nicht in München, wo denn sonst?


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