Ausland


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Aus is!

von Diego Künzi

"Aus" ruft eine rauhe Stimme in einem aufforderndem Tonfall, mit einem langezogenen "iiis" antwortet eine vielstimmige Meute von jungen Männern und prostet sich kräftig mit den bereits zur Hälfte geleerten Bierkrügen zu. In einem Biergarten irgendwo in München sitzt bei strahlendem Sonnenschein eine ausgelassene Gruppe an einem langen Tisch und amüsiert sich mächtig. Alle tragen sie ein weisses, langärmliges Sweat-Shirt, das mit den Farben der deutschen Fahne, mit goldenen Glöckchen, verschiedenen Gradabzeichen und haufenweise Unterschriften bunt geschmückt ist. Auf dem Rücken stehen in schwarzen Lettern die Worte "Aus is!", darunter ist das Entlassungsdatum und der Entlassungsort aufgedruckt. Auf der Vorderseite ist das Wort "Ausscheider" erkennbar, dazu ist die militärische Einteilung, meist mit einer Karikatur verziert, angebracht.

"Ausscheider" werden diejenigen genannt, die nach einem Jahr in der deutschen Bundeswehr aus dem Dienst entlassen werden. Anders als in den hiesigen Gefilden ist es bei unserem nördlichen Nachbarn Brauch, dieses Ereignis gebührend zu feiern. Wenige Tage vor der Entlassung ziehen unzählige Gruppen von Ausscheidern trinkend und johlend durch die Münchner Innenstadt und zeigen der Öffentlichkeit, dass sie ein Jahr lang im Dienste des Vaterlandes standen. Immer wieder werden mit Vorliebe attraktive Passanteninnen aufgefordert, sich auf dem Sweat-Shirt mit einer Unterschrift zu verewigen, was dann mit einem kräftigen "Busserl" auf beide Wangen gedankt wird. Am späteren Nachmittag treffen sich die Ausscheider schliesslich in den zahlreichen Biergärten, um noch ein letztes Mal auf die gemeinsam erlebten Abenteuer anzustossen.

Während der Diplomreise kam auch bei unserer Klasse das Feiern nicht zu kurz. An einem angenehmen Abend bei einem Mass Bier kamen wir auf die spontane Idee, unsere Diplomzeitung "Der Ausscheider" zu nennen. Wir alle sind eigentlich nichts anderes als Ausscheider, die zwar nicht im Dienste des Vaterlandes standen, aber trotzdem eine lange, manchmal strenge Studienzeit bald hinter uns haben. Nach der letzten Diplomprüfung im November ist denn auch für uns die Zeit gekommen, "auszuscheiden" aus der schützenden Schule in die unbarmherzige und marktorientierte Berufswelt. Die meisten werden gleich darauf mit der Arbeit beginnen, einige wenige legen eine Denkpause ein und begeben sich auf grössere Reisen. Schlussendlich wird es uns gleich gehen wie den richtigen Ausscheidern in München: Schon bald nach dem Austritt werden wir die HTL nur noch in unserer Erinnerung behalten; was aber weiterhin anhält, sind die geschlossenen Freundschaften.


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